Der Rose kündigen für den Tag, an dem alle nach Dornen fragen
An süßduftenden Tagen, an denen Regen auf allen Bänken sitzt
und ein Rentner über die Rohheit der Jugend erzürnt
-denn der Regen ist jung und tritt die Bänke mit Wasserfüßen-,
an schweren, dunstigen, ebendiesen Tagen
ist der Garten ein Revier der Zierde,
der Schnecken und Würmer,
der Zähne der Löwen,
der Größe der Rosen,
der Majestät und des Grüns.
Ich sitze und gehe manchmal,
es ist ein Tanzschritt eher als ein Wegbereiter,
ich komme nicht an, ja ich verlaufe mich sogar.
Ich trete auf die Zehen meines Baumes.
Mein zarter Schuh versucht ein Muster, versucht etwas bleibendes zu zeichnen,
der Regen wird kommen und wird vergessen machen.
Ich werde mich wegspülen, ich werde unter der Straße gluckern, ich werde mich
wenden, an Ecken an die Oberfläche sprudeln,
ich werde Wände hinauf und hinabsteigen.
Meine Hände spielen im Haar der Farne
und ertasten das Zarte und Gegangene.
Ich denke bei mir, wie leicht und sonderbar die Flächen sind, auf denen wir wandern
und gar nicht leben.
Der Rose lecke ich den Hals, den schlanken und ihre breite Stola lässt mich im
Schatten weilen.
Der Dorn, der kleine Sarazene, ist voller Eifersucht. Sein Schwert ist alt und meine
Lust sehr jung. Die bunte Dame gewährt, dass ich ein Blatt von ihrer Brust ablöse,
ein Blütensegel, ein bauschiges Tüchlein, das ich mir um Lippen und Fingerkuppen
lege, um, wie ein Schwärmer, dummer Junge, kleiner Muck vor ihr zu lagern und wie
einer, der nur Rosenworte reden darf.
Meine Dame hat ihr Herz auf meine Zunge gelegt mit dem einen Kuss.
An Tagen, wie ebendiesen. In Nächten wie jenen,
entsage ich dem Duft und schicke mich, um sie zu betrügen,
an die Hände und Münder anderer Sträucher.
Ich beiße in die Tomate, ich feiere die Röte der Völle.
Hin und her schwingt mein Verdacht,
der Garten raunt. Ich bin entdeckt,
enttarnt als Larve, die ein Blatt zerreißt.
Die Ameise kommt, um nach mir zu sehen.
Die treue Amme trägt mich hinab.
Manchmal bin ich ein Haus, das verlassen wurde von einer Schnecke.
Ich liege als stille Erinnerung am Rand und Halme wachsen in mich hinein
und Vögel hallen wider.
Meine Mauern, die gewunden und wund, zittern wie einsturzgefährdet.
Kein Denken an die fröhlichen Feste.
Sie fragen nach Dornen, die Undankbaren.
Für ebendiesen Tag, sage ich, habe ich der Rose gekündigt.
© Nora-Eugenie Gomringer, 2003
Abandoning the rose in expectation of the day when everyone wants thorns
On sweetsmelling days, when rain sits on all the park benches
and a retiree rages about the youth these days
-- for the rain is young and kicks the benches with watery feet --,
on heavy, humid, days just like these
the garden is a haunt of adornment,
of snails and worms,
of the dandies of lions,
of the extent of roses,
of majesty and of green.
I sit and go sometimes,
it is a hop-and-a-skip rather than the start of a long march,
I don't arrive, yes I even get lost.
I step on the toes of my tree.
My delicate shoe attempts a pattern, attempts to draw something lasting,
that the rain will come and cause to be forgotten.
I'll wash myself away, I'll glug under the street, I'll
turn, bubble up at corners to the surface,
I'll travel up and down walls.
My hands play in the hair of the ferns
and discover the tender and departed.
I think of myself, how light and strange the surfaces are on which we wander
and don't even live.
I lick the throat of the rose, thin, and its wide stole allows me
to dwell in the shade.
The thorn, the tiny Saracen, is full of envy. Its sword is old and my
lust so young. The gaudy lady allows me to remove a leaf from her breast,
a flower-sail, a fluffy sheet that I place at my lips and fingertips,
so that, like an admirer, dumb youth, little peasant, I might lay siege to her like
someone who is allowed only to speak rose-words.
My lady placed her heart on my tongue with that one kiss.
On days just like these. In other nights
I forsake the scent and send myself, in order to cheat on her,
to the hands and mouths of other shrubs.
I bite into the tomato, I celebrate the redness of fullness.
My suspicion waxes and wanes
that the garden is murmuring. I have been discovered,
revealed as a larva tearing at a leaf.
The ant comes to examine me.
The faithful wet-nurse puts me to bed.
Sometimes I am a shell abandoned by a snail.
I lie at the edges like a silent reminder and grass grows inside me
as birds echo.
My walls, chambered and raw, tremble as if in danger of collapsing.
No thought for the happy celebrations.
They want thorns now, the thankless ones.
For just such a day as this, I say, I abandoned the rose.
[Translation mine]
Recent Comments